Man schrieb das Jahr 1714 als sich der erste Apotheker Nicodemus Georg Rötter in Leutershausen einmietete. Zwar begegnete man ihm wie allen Apothekern jener Zeit mit besonderer Hochachtung, waren doch um 1700 manche Apotheker von ihrem Landesfürsten mit dem geheimnisvollen Geschäft des Goldmachens betraut worden. Aber über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten kam Rötter auch dadurch nicht leichter hinweg, dass man ihn ehrenhalber als überzähligen Bürgermeister in den Rat der Stadt berief.
Als 1749 der damalige Apotheker Friedrich Hasenest seine Apotheke in Leutershausen an Franz Adolph Schumacher verkaufte, wurde deutlich, dass er als Apotheker am markgräflichen Hofe durchaus etwas gelten musste. Er sicherte im Kaufvertrag ein Privileg zu, das „beyschaffen sich der Apotheker Johann Friedrich Hasenest anheischig gemacht hat“, wie es im Privilegium von 1751 dann heißt. Zwar war nach diesem Dokument am 03.03.1745 durch den Markgrafen „eine Apotheker- und Tax-Ordnung zu denen Apotheken gehörig publiciert und im Druck ergangen“, nach der „zu dieser Officin ein Privilegium erforderlich“ ist. Aber Hasenest hatte „vermöge Leutershaußischen Amts-Protocolli“ erst verkauft und „dannhero unterthänigst gebetten“. Der Markgraf bemerkte dazu großmütig, dass er „in Ansehung derer vorwaltenden Umstände Supplikanten zu deferiren gnädigst geneigt sey“.
In dem erwähnten Privileg wird dem Apotheker Befreiung vom Wachdienst, von der Fron und anderen Diensten, auch von der „Contributionscurrent- und Lichtmess-Steuer“ für seine Person und sein Geschäft, nicht aber für das steuerbare Haus und seine sonstigen Güter gewährt. Die besonders auferlegten Pflichten bestanden darin, sich jederzeit „gerechter Waren und diensteifrig zu befleißigen, sich in der jährlichen Visitation zu unterwerfen, sich zu der erwähnten Apothekerordnung zu bekennen und mit den darin beschriebenen Taxen zufrieden zu sein, damit niemand Klage zu führen Ursach haben möchte“. Weiterhin ist der Alleinverkauf aller in der Apothekerordnung aufgeführten Waren verbrieft und allen anderen bei Strafandrohung verboten, solche Waren unter Kram-Waren feilzuhalten.
Wo die Apotheke in der ersten Zeit eingerichtet war, lässt sich nicht klären. Ein gut erhaltenes Kaufdokument, ausgestellt von dem Stadtvogt Wolfgang Tobias Weiß, gibt darüber Auskunft, dass der Apotheker Friedrich Heubach am 30.05.1758 bereits so wohlhabend war, dass er vom „Burger und Cronen-Wirt Georg Christian Förster ein Haus in der oberen Marktgasse samt Krautbeet und Pflanzstück am Kühnberg um 550 Gulden erkaufen“ konnte. Von da ab scheinen die Apotheker in Leutershausen wirtschaftlich sorgenfreier gelebt zu haben.
Um 1860 befand sich die Apotheke bereits am Markt und zwar im Haus gegenüber des heutigen Apothekengebäudes (derzeit Bäckerei). Der damalige Apotheker Carl Theophil Held kam 1850 aus Weihenzell ins Altmühlstädtchen, nachdem ihm das Königliche Landgericht Leutershausen urkundlich genehmigte, sich hier ansässig machen zu dürfen und die Apothekertochter Maria Müller zu ehelichen. Darüber wurde eine „Rezeptionsurkunde“ ausgefertigt. Um 1864 kaufte Held das Grundstück, auf dem die jetzige Apotheke steht und ließ durch Maurermeister Weber das heutige Gebäude erbauen.
Für die wirtschaftliche Grundlage der Existenz des Apothekers sorgte bis 1904 nicht nur der Verdienst als Apotheker, sondern auch der Erlös aus dem landwirtschaftlichen Besitz. 1904 wurde das Apothekengrundstück ohne jenes Dutzend Tagwerk Ackerland vom Apotheker Johann Baptist Fick erworben, das bis dahin zum Besitz der Apotheke gehörte. Und zwei Jahre später verkaufte Apotheker Fick seinem Nachbarn, dem Maschinenschlosser Leonhard Stephan Hammerder die Scheune nebst Stallungen im Hof. Aus dieser Zeit ist uns eine Werbebroschüre erhalten.
1934 kamen die beiden Redlin Schwestern nach Leutershausen. Die Apothekerin Betty Redlin übernahm die Apotheke von Fick. Im Bescheid über
„die Fortführung der Apotheke in Leutershausen hat die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken, Kammer des Inneren, in ihrem verwaltungsrechtlichen Senat auf die mündliche Verhandlung am Donnerstag, den 21. Juni 1934 folgenden Beschluss gefasst:
Der Apothekerin Betty Redlin, geb. am 29.12.1895 in Stettin, approbiert am 19.07.1927 wird die Bewilligung zum Fortbetrieb der Apotheke in Leutershausen (…) erteilt.
Die Apotheke in Leutershausen ist eine Realrechtsapotheke. Das Realrecht ist durch notariellen Vertrag vom 25.03.1934 von dem bisherigen Inhaber, Apotheker Fick, an die Apothekerin Betty Redlin verkauft worden. (…) Apotheker Fick, der schwerkrank ist, hat mit dem Verkauf auf die Bewilligung zum Fortbetrieb der Apotheke in Leutershausen verzichtet. (…) Die Voraussetzungen für den Betrieb einer Apotheke liegen bei Fräulein Redlin vor. Sie ist arischer Herkunft, Reichsangehörige, gesund, hat die Approbation am 19.07.1927 auf Grund der Note sehr gut in der pharmazeutischen Prüfung erhalten, eine hinreichende praktische Beschäftigung nachgewiesen“ (siehe hierzu: Bescheid der Regierung von Mittelfranken und Oberfranken, Kammer des Inneren vom 17. Juli 1934 Nr. 2074 a 5).
Wie dieses amtliche Schreiben zeigt, war für die Bewilligung nicht nur die Approbation, sondern ebenso die arische Abstammung nötig, eine Perversion des Nationalsozialismus, die alle Bereiche des öffentlichen Lebens bestimmte. Die Ideologie und der Totalitarismus des Regimes waren es, welche die Pfarrerstocher Betty Redlin aus Stettin zwangen, ihre Heimat zu verlassen und sich andernorts eine neue Existenz aufzubauen. Im Zuge der „Entnazifierung“ – in einer Stellungnahme vom 01.11.1945 gegenüber dem Prüfungsausschuss der Stadt Leutershausen schildert sie ihr
Verhältnis zum Nationalsozialismus.
Auszüge aus der Stellungnahme gegenüber dem Prüfungsausschuss der Entnazifizierung. „Zum Nachweis der Tatsache, dass ich mich niemals aktiv für eine Tätigkeit der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen eingesetzt habe, führe ich folgende Punkte an: Ich habe niemals der NSDAP als Mitglied angehört und habe niemals in einer der ihr angeschlossenen Organisationen irgendein Amt bekleidet oder wäre dafür auch nur in Frage gekommen auf Grund meiner allgemein bekannten Haltung zum Nazi Regime, die bezeugt werden kann: von (…) Wenn ich im Juli 1934 trotzdem auf wiederholtes Drängen der Frauenschaft in diese eintrat, und mich verpflichtete den monatlichen Beitrag von 0,50 RM und später 0,62 RM zu entrichten, so übernahm ich diese Verpflichtung mit Rücksicht auf das von mir am 01. Mai 1934 übernommene Geschäft, um nicht wieder dem gleichen Schicksal ausgeliefert zu werden wie in meiner Heimatstadt Stettin, wo ich als Apothekerin am Städtischen Krankenhaus von den Nazis aus meiner Stellung entlassen wurde, als Tochter eines noch im Amte stehenden evangelischen Geistlichen, zu, 01.10.1933, dem Tage an dem ich nach 10jähriger Tätigkeit ins Beamtenverhältnis übernommen werden sollte. Ich hätte mir diese Stellung erhalten können, wenn ich der Forderung zum Eintritt in die Partei nachgekommen wäre. Ich musste dies ablehnen, da meine innere Überzeugung und meine religiöse Einstellung in völligem Gegensatz zu der nationalsozialistischen Weltanschauung stand. (…)
Ich habe weder nationalsozialistische Überzeugungen noch Rassendoktrin nach militaristische Lehren betreten. Im Gegenteil habe ich allen Veranstaltungen der Partei und ihrer Gliederungen passiven Widerstand entgegengesetzt, indem ich in keiner Weise an ihnen teilnahm, nicht einmal an Kinovorführungen oder den Wochenschauen. In den letzten Jahren wurde ich überhaupt nicht mehr eingeladen. Diese Nichtbeteiligung weder in persönlicher noch in pekuniärer Weise trug mir viele Schwierigkeiten von seiten der Partei ein. Ich habe mit dem früheren Ortsgruppenleiter R. schwerwiegende Auseinandersetzungen gehabt, ebenso mit dem Hauptlehrer R. und später mit dem hiesigen Bürgermeister und dem Ortsgruppenleiter. Auch mit dem Propagandaleiter hatte ich große Schwierigkeiten, als ich mich weigerte, eine Propagandatafel an meinem Haus anbringen zu lassen. Mit diesem hatte ich in der Nacht vom 17. zum 18. April 1945 in aller Öffentlichkeit einen heftigen Zusammenstoß, als ich ihn drängte, auf eine kampflose Übergabe der Stadt hinzuwirken angesichts der Sinnlosigkeit der Lage und der vielen in der Stadt befindlichen Frauen und Kinder. (…)
Im Gegensatz zur Partei unterstützte ich die Kirche, wo ich nur konnte. (…) In einer Zeit, in der der Landeskirchenrat es nicht wagen konnte, seine Schriftstücke direkt an das hiesige Dekanat zu schicken, habe ich meine und meiner Apotheke Anschrift als Deckadresse angegeben.“
Frau Betty Redlin verband eine enge Freundschaft zur Familie des jüdischen Krankenhausdirektors Prof. Dr. med. Neisser in Stettin. Auch in Zeiten der Rassenverfolgung und menschenverachtenden Diskriminierung durch die Nazis hat sie an dieser Freundschaft festgehalten, was nicht zuletzt zu ihrer Entlassung aus dem Dienst im Städtischen Krankenhaus in Stettin führte. Bevor der Arzt durch die SS abtransportiert wurde, nahm er sich das Leben. Die Tochter, eine enge Freundin der Apothekerin, fand bis zum Ende des Krieges Schutz und Unterstützung durch Betty Redlin. Ebenso unterstützte sie K. Reichmuth, den Sohn von Herrn Pfarrer Reichmuth in Stettin, als er aus dem Konzentrationslager entlassen wurde und dessen Mutter, Frau Pfarrer Reichmuth, als diese aus dem Gefängnis entlassen wurde.
Während die Apothekerin Betty Redlin die Geschäfte führte, etablierte die Diplom-Kammersängerin Sophie Redlin in Leutershausen „einen Mittelpunkt für einen musikalisch interessierten Kreis“ (siehe: Sonderdruck der amtlichen Mitteilungen des Landratsamtes Ansbach, „Sieben Jahre Wiederaufbau“). So veranstaltete das Volksbildungswerk zahlreiche Veranstaltungen im Apothekengebäude.
Ein Zeitgenosse berichtet über die Redlin Schwestern: „Die eine lief unter dem Namen „die Apothekerin“, die andere unter dem Namen „die Sängerin“. Mit der Sängerin war ich als Kind oft im Altmühlbad beim Schwimmen, sie war eine gute Schwimmerin. Ihr Ausspruch über den Monat Mai war, er ist ein teurer Monat. Sie hat nämlich sehr gern gegessen, was man auch sah. Sie sagte, der Monat Mai ist so teuer wegen dem Spargel, dem Schinken und den Erdbeeren mit Sahne. Es gehörte in Leutershausen vor dem 2. Weltkrieg zum guten Ton, dass die „höheren Bürgertöchter“ bei der Sängerin Klavierunterricht hatten, so auch meine Schwester, ich wegen Unbegabung nicht.“
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Bilder aus der Zeit Betty Redlins nach dem 2.Weltkrieg
Ein anderer Zeitgenosse von Betty Redlin, der alte Untreu-Müller weiß zu erzählen, dass noch vor ihrer Zeit einmal ein Bauern mit einer Zimmertür unter dem Arm in der Apotheke stand. Der Arzt habe bei seinem Krankenbesuch in Brunst seinen Rezeptblock vergessen. Vielleicht war er ihm auch beim Einspann seiner Pferde aus der Tasche gerutscht. Jedenfalls soll er, nachdem auf dem gesamten Gehöft kein entsprechendes Papier aufzutreiben war, die Verordnungen auf der Zimmertür notiert haben.
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Kinowerbung aus der Zeit Betty Redlins nach dem 2.Weltkrieg
1964 übernahm Joachim Redlin, ein Neffe der Redlin Schwestern die Stadt-Apotheke in Leutershausen. Neben massiven Umbauten öffnete er die Stadt-Apotheke für wichtige Innovationen. 1977 wurde das gesamte Erdgeschoss umgebaut, neue Räume für den Apothekenbetrieb hergerichtet, die Außenfassade umfassend renoviert. Darüber hinaus legte Joachim Redlin besonderen Wert auf die Ausbildung des pharmazeutischen und kaufmännischen Personals. Lehrlinge dieser Zeit erinnern sich noch gern und mit großer Wertschätzung an die wöchentlichen „Unterrichtsstunden“, in denen der Apotheker höchstpersönlich sein Fachwissen den jungen Berufsanfängern weitergab und viel Zeit in die Ausbildung seiner Apothekerpraktikanten investierte.
Außerdem setzte Joachim Redlin die Tradition seiner Vorgängerin fort, indem er durch Engagement im Bildungswerk der VHS und als Vorstandsmitglied des Fotoclubs, das kulturelle Leben in Leutershausen bereicherte.
Mit Wolfgang Redlin, Sohn des vorherigen Besitzers, ist die Apotheke nun in der 3. Generation in Familienbesitz. Er übernahm die Geschäfte 1994. Seither erfuhr die Stadt-Apotheke nicht nur äußerlich eine Generalüberholung, auch die Innenräume wurden von Grund auf neugestaltet. Die Offizin präsentiert sich dem Kunden in freundlich-hellen, modernen Design. Die Arbeitsbereiche des pharmazeutisch-kaufmännischen Personals sowie die Lagerräume wurden den Anforderung neuer Entwicklungen angepasst.
Innovativ zeigte sich Wolfgang Redlin auch im Bereich der Unternehmenspolitik und der Personalführung. Ergebnis dieser Bemühungen sind unter anderem die erfolgreiche Entwicklung und Implementierung des Qualitätsmanagementsystems der bayerischen Landesapothekerkammer nach DIN EN 9001:2000.
Gesundheitsaktionen, Informationswochen zu speziellen Themen der Gesundheit, persönliche, individuelle Beratung, ein umfangreiches Internetangebot, kompetente Ansprechpartner vor allem im Bereich Diabetes, Reiseberatung, Kompressionstherapie, Asthma, Homöopathie, Bachblüten und Kosmetik machen die Stadt–Apotheke Leutershausen zum wichtigen Partner in allen Gesundheitsfragen. Regelmäßige Fortbildungen unserer Mitarbeiter, strenge Qualitätskontrollen bei der Herstellung und Handhabung von Arzneimitteln und Hilfsmittel garantieren eine optimale Versorgung, Beratung und Betreuung unserer Kunden.
Auch in Zukunft werden Sie sich auf diese Qualitätsstandards verlassen können.